Gedanke für die Schule der Zukunft

Ray Ballisti, 26. April 2019

 

Ich habe eine Ingenieurausbildung gehabt, und im Laufe der Jahren musste ich feststellen, dass die Problemlösung ein geeignetes Vorgehen verlangt. Dies in allen Lebensbereiche, von der Technik bis zur Erziehung und zur Gesellschaft.

Kurz gesagt geht es um folgendes:

1- Anerkennen, dass ein Problem existiert.

2- Beschreibung des Problems, und insbesondere Suche der Wurzeln (Verursacher).

3- Auflisten der möglichen Mitteln, die zur Lösung herangezogen werden können.

4- Aufstellen von einigen Lösungsansätzen

5- Wahl der Reihenfolge der Versuche

6- Lösungsversuch mit Analyse der Resultate

7- Entscheiden, ob die gefundene Lösung zufriedenstellend ist, sonst zurück zu Nr. 6

 

Was so einfach erscheint, wie das Erkennen, dass ein Problem existiert, ist hingegen schon eine grosse erste Hürde. Dies geht aus der Feststellung, dass unsere Gesellschaft hauptsächlich von Symptombekämpfungen lebt, und nicht von wirklichen Problemlösungen. Das heisst, dass man versucht, eine, meist unangenehme und unerwünschte Störung zu beheben, ohne sich um deren wirklichen Ursachen zu kümmern. Am besten vielleicht kann ich meine Gedanke mit einem Beispiel vermitteln: die Schuhe drückt, es tut weh. Man wechselt die Schuhe. Das mag in gewissen Fällen richtig sein, aber was wenn die wirkliche Ursache eine falsche Fussstellung (Plattfuss) ist?

Auch die Suche für eine Schule der Zukunft muss in einem geordneten Schema für die Problemlösung Platz haben. Man kann nicht ein neues Schulkonzept einfach so entwerfen, ohne sich vorher Gedanken gemacht zu haben, warum es nötigt ist und welche Ziele man vor sich hat.

 

Warum soll ich mich um eine Schule der Zukunft bemühen? Ich beginne mit der Feststellung, dass wir ein grosses Problem haben: unsere heutige Gesellschaftsform ist immer noch auf den uralten von der Evolution verlangten Überlebensgedanken fixiert. Will man das Gesellschaftsmodell verändere, muss man zuerst die Urinstinkte der Menschen meistern und verändern. Diese gewaltige Aufgabe kann nur durch die Erziehung, bzw. in der Schule verwirklicht werden. Darum die Neue Schule.

Um es klarer auszudrucken: zur Rettung der Menschheit erachte ich als notwendig, unsere Gesellschaftsform zu ändern und auf anderen Basis aufzubauen, und um dieses Ziel zu erreichen, muss man die Mentalität der Menschen ändern, was eben mit einer geeigneten Erziehung in der Schule zu erreichen ist. Dies benötigt einige Generationen, und damit man so viel Zeit bekommt, muss man parallel dazu die heutige Gesellschaft notfallmässig flicken.

 

Um Vorschläge für eine neue Schule anbringen zu können, muss man die Grundgedanken über das menschlichen Verhalten untersuchen.

Ich muss also zuerst das heutige Schulsystem analysieren, um zu bestimmen, was meiner Meinung nach nicht in Ordnung ist. Wiederum, um diese Analyse durchführen zu können, muss ich die Entstehungsgeschichte unseres Schulsystems verstehen, und insbesondere die treibende Kräfte, die diese Struktur entstehen liessen. Ein Schulsystem steht nicht isoliert in der Luft da, sondern ist in einer bestimmten Gesellschaft eingebettet, die ein bestimmtes Wirtschaftssystem anwendet.

 

Was treibt der Mensch? Warum haben wir die heutige Gesellschaftsform? Ich bin der Meinung, dass unser Verhalten lange bevor unserer Geschichte entstanden ist. Die letzten 9 tausende Jahren der menschlichen Geschichte sind nichts gegenüber die lange Evolutionszeit der Gattung Homo (selbsternannt “sapiens” …).

Der Mensch gehört zu alle Lebewesen dieses Planeten, und wie alle hat als erstes ein Überlebensinstinkt.

Alle andere Eigenschaften der menschlichen Psyche lassen sich daraus ableiten.

Um zu überleben muss man Angst spüren zu können. Angst vor allem um das, was unbekannt ist.

Um zu überleben muss man Durst und Hunger tilgen können.

Um zu überleben muss man sich reproduzieren können.

Um zu überleben muss man in einer Gruppe sein, man überlebt dort besser als alleine.

Und somit ist der erste Mauer zwischen den Menschen entstanden: “wir” und “die anderen”.

Der Kampf um zu Überleben ist von einem Einzelnen zu einem Gruppenkampf geworden.

Gruppe, Clan, Sippe, Stamm, Gemeinschaften, Nationen: solche Unterteilungen stellen Mauer zwischen den Menschen dar.

Die ganze menschlichen Geschichte ist davon betroffen, heute leider immer noch.

 

Obiges wurde in der Schule abgebildet. Der einzelne Schüler wird mit einer Messmethode beurteilt, die obige Gedanken entspricht. Der Ziel ist es, der erste der Klasse zu werden, also der, nach veralteten Kriterien, besten und intelligentester (was denn das bedeutet ist noch zu diskutieren). Auf jedem Fall der “beste” hat die grösseren Chancen zur Reproduktion, also schlussendlich zur Evolution und Bestand der menschlichen Rasse beizutragen. Natürlich betreibe ich da eine starke Vereinfachung, aber es geht mir darum, die grobe Eigenschaften unseres System zu identifizieren, um dann eine Kritik und Lösungsansatz anbringen zu können.

 

Nun einige Bemerkungen:

1- Sie haben sicher bemerkt, dass was ich oben geschrieben habe, auf der Sicht des männlichen Mitgliedes der menschlichen Rasse entstanden ist. Das habe ich bewusst gemacht, damit man sich darüber Gedanken machen kann, was dann auf der Sicht der weiblichen Mitglieder sein sollte.

Ich stelle mir vor, dass die Frauen bei den Urmenschen sich herum geschaut haben, um einen starken, gesunden Mann als Beschützer und Ernährer der eigener Familie zu finden.

Extrapoliert in der Schule: Buben suchen die Bewunderung der Mädchen zu erhalten, umgekehrt Mädchen wollen sich gesund (gebären-fähig) und schön (genetisch “Fehlerfrei”) zeigen, also wollen begehrt werden. Dies wurde zum Teil auch mit der Notengebung gefördert, traf aber mehr die Buben als die Mädchen.

2- Ich habe von der Entstehung von Mauern zwischen den Menschen geschrieben. Dies wurde immer genutzt, um Macht ausüben zu können. Man sagt ja, dass autoritäre Regierungen immer ein äusserlichen Feind benötigen, um an der Macht zu bleiben. Dieses Spiel benützen auch hiesige Parteien. Religionen sind auch ein Beispiel dafür, wie man Mauer zwischen Menschen baut.

3- Wir sehen, dass das heutige Verhalten der Menschheit immer noch auf den uralten Überlebensgedanken verwurzelt ist. Grob zusammengefasst heisst es immer noch: “wir” gegen die “anderen”. Das Resultat ist eine kaputte Umwelt, Artensterben, Klimakatastrophe, Bevölkerungsexplosion. Schlimmer noch: unmerklich wird das Planet unbewohnbar.

4- Im Punkt 3 habe ich endlich “das Problem” beschrieben, d.h. wir Menschen verhalten uns immer noch nach den alten Regeln, die in früheren Zeiten unseres Überleben gesichert haben.

Heutzutage führen diese Regeln zur Weltuntergang, auch wenn viele noch versuchen, “positiv” zu denken und glauben dies abwenden zu können.

Der Schluss, die ich daraus ziehe, ist, dass keine Revolution wirksam sein kann: was wir in unseren Köpfen haben, ändert sich nicht so schnell. Also, man muss langfristig planen, falls die Natur uns noch Zeit gibt. Und die Folge der Überlegungen ist, dass wir mit der Erziehungssystem, mit unseren Schulen, beginnen sollen, um die Einstellung der Menschen zu verändern. Bitte, nicht von Manipulation reden: wir müssen Prinzipien anwenden, die unsere Ethische und Moralische Werte genügen., und dies schlisst Manipulation aus.

 

Es stellt sich nun die Frage der Verwirklichung obiger Wünsche.

Die neue Stossrichtung für die Erziehung der jungen Generationen sollte auf folgenden Punkten Rücksicht nehmen, die ich aus meiner Lehrertätigkeit (siehe weiter unten) erfahren habe:

a) Jeder Mensch, jedes Kind, ist verschieden und hat eine andere Aufnahmefähigkeit.

b) Nicht das “besser als die anderen” soll entlohnt werden, sondern das “sich verbessert zu haben”. Damit kann jeder für die eigene Fortschritten belohnt werden, die er mit dem eigenen Tempo erreicht hat. Addieren wir auch eine Belohnung für solche, die andere geholfen haben, etwas zu verstehen, dann erreichen wir ein Klima der Zusammenarbeit und nicht der Konkurrenz. Dies hat in der Folge gesellschaftliche relevante Konsequenzen: Mauern werden abgebaut und Brücken gebildet.

c) Der Lehrer ist nicht ein “Führer”, sonder ein “Begleiter”. Ein wesentlicher Unterschied!!

d) Der gute Lehrer ist einer, der die Voraussetzungen schafft, damit der Schüler das zu lernender Stoff selber “entdeckt”. Dieser Weg benötigt mehr Zeit, aber ist am Schluss viel Effizient.

e) Dadurch, dass der Lehrer ein Begleiter und nicht ein Führer ist, wird noch folgendes erreicht:

  1. 1.Man übt Respekt für die Person selber und nicht für die “Funktion”, die dieser Person von irgend eine Obrigkeit erhalten hat. Also man übt, Vertrauen in einer Person zu haben, anhand von der täglichen Erfahrung mit diesem, und nicht weil es so vorgegeben, d.h. verlangt, wird. 

  2. 2.Man wird nicht bestraft, wenn man etwas nicht versteht oder nicht ausführen kann. Der Begleiter ist da, um die verschiedene Wege, wie man ans Ziel kommen kann, zu zeigen. 

  3. 3.Man lernt, sich von Kameraden helfen zu lassen, oder man lernt, Kameraden zu helfen. Man wird merken, dass man durch Helfen, selber noch viel dazulernt. Somit wird die Solidarität untereinander als Normalfall gelernt, und nicht die Rivalität. 

  4. 4.Man lernt kritisch zu bleiben: der “Begleiter” ist kein “Führer”, also muss nicht alles wissen, und kann sogar Fehler machen. Das fordert die Benutzung des eigenen Gehirns. 

  5. 5.Da der Helfer (Lehrer bzw. Begleiter) nicht alles vorzeigt, ist man gezwungen, die eigene Fantasie zu benützen. Mit Fantasie bezeichne ich die Eigenschaft, sich Sachen oder Verhalten vorzustellen, die noch nicht bekannt sind. 

 

Ich verstehe obige Angaben als Diskussionsbeiträge, die noch Verarbeitet werden sollen.

Ich bin dagegen, dass jemand kommt, und mir sagt, er habe da DIE Lösung gefunden.

Jede Idee ist als ein Beitrag zu verstehen, wie die Plättchen eines Mosaiks.

Man soll die Zusammenarbeit betonen (Teamwork), und trotzdem auch Platz für Einzelgänger frei lassen.

 

Ich möchte da unten die praktische, persönliche Erfahrungen erwähnen, die mich für die Entstehung obiger Gedanken geholfen haben. In den verschiedenen Gebieten habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht, was auf Gemeinsamkeiten hinweist.

Die fünf Gebiete, in denen ich eine Lehrfunktion hatte, sind:

  1. 1.Alpinismus: Ich war Instrukteur für die Gebirgsausbildung an der vor-militärischen Sportschule des Kanton Tessin (in den sechzigern Jahren) 

  2. 2.Hochschule: Ich war Assistent und Zuständig für die Übungsbetreuung in Theoretischer Elektrotechnik an der ETH Zürich (siebziger-achtziger Jahren) 

  3. 3.Segelflug: ich war Fluglehrer bei der Segelflugschule in Schänis (für kurze Zeit, leider, in den achzigen Jahren). 

  4. 4.Hochschule: ich war Systemmanager unseres Computersystems (neunziger Jahren) 

  5. 5.Kampfkunst: ich bin seit mehr als 30. Jahre Lehrer von IAIDO an der BUDOKAN Zürich 

Es gibt Gemeinsamkeiten in allen fünf Bereichen, die mich erlaubt haben, die Wurzeln des menschlichen Verhalten zu studieren. Eine unvollständige Liste schreibe ich da unten:

 

  1. 1.Der Mensch sucht Geborgenheit, will Sicherheit und will keine Angst haben. Er versucht, der Energieverbrauch, der bei Denken notwendig ist, zu minimieren. 

  2. 2.Manche Menschen zeigen Überheblichkeit, Sturheit, Impulsivität, Respektlosigkeit 

  3. 3.Es gibt Fälle, in denen panische Reaktionen auftreten, oder Ärger, Ablehnung, und der Wunsch, aufgeben zu dürfen. 

  4. 4.Heutzutage gibt ein starkes Konsumverhalten: alles soll auf dem Tisch bereit gemacht werden, damit man sich mühelos bedienen kann: ich zahle, ich bekomme. 

  5. 5.Das bequeme “Mainstream”-Verhalten: es kostet weniger Energie als gegen den Strom zu schwimmen. 

  6. 6.Der Mensch will der Beste, der Grösste, der Erfolgreicher, der Kluger von allen sein. 

 

 

Beispiele für Punkt 1:

Die Schüler haben sich oft nur Sicherheit gewünscht, die wenige sind Neugierig und diese werden dann auch Innovativ.

in den Bergen bei Laufen nachdem man von der Nebel überrascht worden ist, wenn die Müdigkeit sich bemerkbar macht, dann kommen Zweifel an den Entscheidungen des Bergführer (der war ich) hoch. Unsicherheit gibt Angst, das wirkt unangenehm.

An der Hochschule, wenn ich, anstatt die Lösung einer gestellten Aufgabe zu zeigen, Frage stellte, dann wurden gewisse Studenten ungeduldig: nicht das Lernen stand in Vordergrund, sonder das Aufschreiben der Lösung, auch wenn man nichts verstanden hatte (Traurig aber war).

In der Kampfkunst: wenn ich erzähle, dass was man gerade gelernt hat, unter Umständen falsch sein kann, dann reagieren die Lernenden eher verzweifelt, und sind nicht Zufrieden mit dieser Unsicherheit.

 

Beispiele für Punkt 2:

In der Segelflugschule: man vereinbart vor dem Abflug Höhe und Ort des Abklingen, unterwegs entscheidet der Schüler anders (Impulsiv?, Überheblich?). Sich nicht an die Abmachungen zu halten ist ein Zeichen von Charakterschwächen.

An der Hochschule: sagt man, dass man nicht weiss, wie eine Frage beantwortet werden soll, dann gibt es zuerst Erstaunen und dann eine gewisse Respektlosigkeit.

 

Beispiel für Punkt 3:

In den Bergen plötzlich bekommt der Schüler panische Angst, und kann sich vom Fleck nicht mehr bewegen (man ist einige Hundert Meter über dem Boden in einer steilen Wand).

An der Hochschule: man führt eine Computersimulation, und die Resultate werden kritiklos als richtig angenommen. Oder: etwas funktioniert im eigenen Computer nicht mehr, dann denkt man zuerst an einem Fehler vom System Manager. In 99% der Fälle handelt es sich aber um eigene Fehler …

 

Beispiel für Punkt 4:

Kampfkunst: man erwartet, dass alles erklärt wird, ohne sich zu bemühen, selber zu denken, zu probieren, zu studieren oder wenigstens zu fragen.

 

Beispiele für Punkt 5:

In den Bergen: Das Schafverhalten, d.h. weil jemand links von der Krete gegangen ist, denkt man nicht, ob es doch nicht besser wäre, rechts davon zu gehen.

In der Kampfkunst: da immer so gesagt worden ist, nimmt man es als richtig, und denkt man nicht, dass vielleicht jemanden einmal einen Fehler begangen hat, der dann immer wieder wiederholt worden ist. Dass Wiederholungen etwas nicht richtiger werden lassen, sollte nun bekannt sein, auch wenn dies immer noch insbesondere bei der Politik benützt wird.

An der Hochschule: man kann natürlich nicht alles selber Wiederentdecken, aber wenn man etwas übernimmt, sollte man zuerst dies zumindest kritisch durchleuchten. Auch in der Wissenschaft gibt es Fälle von Fehler, die übernommen und wiederholt wurden.